Warum du kein Verlangen mehr nach dem Partner hast (und das okay ist)
Jeder Mensch, der schon mal verliebt war, kennt es. Am Anfang konnten wir die Hände nicht voneinander lassen. Ständig suchten wir die Nähe des*der anderen, und bei jeder sich bietenden Gelegenheit fielen wir wie Ausgehungerte übereinander her. Nach einem Jahr zogen wir zusammen, ab da teilten wir nicht nur das Bett, sondern auch die Spüle. Kurz: der Alltag zog mit ein. Mit ihm Müdigkeit, Routine und die Lieblingsserie, die wichtiger wurde als das tägliche Bettgeflüster. Irgendwann stellte ich fest: wir haben es schön zusammen, aber ich habe kein sexuelles Verlangen mehr nach meinem Partner.
Inhaltsverzeichnis
- Zufrieden mit dem Alltag – aber kein Verlangen mehr nach dem Partner
- Meine Suche nach dem verlorenen sexuellen Verlangen
- Steile These: Ist kein Verlangen nach Sex mit dem Partner überhaupt ein Beziehungsproblem – oder der natürliche Lauf der Dinge?
- Zwischen Date-Nights und Fremdgehen
- Wenn das Nachlassen des Verlangens auf den eigenen Partner so viele Frauen betrifft, ist es vor allem eins: ganz normal!
- Akzeptiere deine nachlassende Lust – und entspann dich endlich
- Das nachlassende Verlangen auf den Partner bedeutet für beide Seiten Veränderung
- Was sind deine eigenen Bedürfnisse?
- Endlich wieder mehr Verlangen – auch auf den eigenen Partner
Zufrieden mit dem Alltag – aber kein Verlangen mehr nach dem Partner
Es passierte nicht von heute auf morgen. Die Lust schlich sich einfach langsam aus unserem Leben. Uns war bewusst, dass da was schief läuft. Immer wieder sonntags auf dem Sofa schauten wir uns an und sagten: “Man könnte mal wieder…”.
An der alten Weisheit, dass der Appetit mit dem Essen kommt, ist schon was dran. Zumindest war es nach wie vor schön, Zeit miteinander zu verbringen. Aber der Hunger, die Lust, das richtig Bockhaben, das blieb verschwunden.
Meine Suche nach dem verlorenen sexuellen Verlangen
Natürlich zuckten wir nicht mit den Schultern und nahmen das so hin – für eine platonische Beziehung fühlten wir uns zu jung. Also bildeten wir uns weiter in Sachen Liebestechniken (und besuchten zum Beispiel einen tollen Bondageworkshop bei Madame Lisa) und versuchten Abwechslung in unseren Sex zu bringen. Ich setzte die Pille ab. Wir kauften uns fancy Latexklamotten, um die Fantasie zu kicken. Buchten zur Entspannung lange Wochenenden in schönen Hotels. Und träumten von einem ersten Besuch im Swingerclub. Doch die Lust blieb weg.
Zumindest dann, wenn es um Zeit zu zweit ging. Lust auf Selbstbefriedigung hatte ich nach wie vor, aber nicht darauf, diese Lust mit meinem Partner zu teilen.
Wenn ich heute zurückblicke, wird mir klar, wie sehr mich die Situation verunsichert hat. Ich machte mir Vorwürfe und suchte den Fehler bei mir: Was stimmte nicht mit mir? Sex sollte doch etwas Lustvolles sein – warum empfand ich ihn meistens als anstrengend? Ich fühlte mich wie ein fehlerhaftes Bauteil, während um mich herum alle ihren Spaß zu haben schienen.
Steile These: Ist kein Verlangen nach Sex mit dem Partner überhaupt ein Beziehungsproblem – oder der natürliche Lauf der Dinge?
Was ich nicht wusste: Sehr vielen Frauen geht es wie mir. Sie lieben ihren Mann, aber nach einigen Jahren schläft die Lust einfach ein. Kein sexuelles Verlangen mehr in der Beziehung zu haben deuten viele als den Anfang vom Ende. Also trennen sie sich und reihen so eine Beziehung an die nächste.
Oder einer von beiden geht fremd und holt sich draußen, was zuhause fehlt. Andere versuchen wie wir erstmal alles, um das gemeinsame Liebesleben wieder in Schwung zu bringen. Und resignieren im schlimmsten Fall, wenn das Verlangen trotz allen Anstrengungen ausbleibt.
Zwischen Date-Nights und Fremdgehen
Dabei ist die ewige Suche nach den Ursachen des Problems ein Teil des Problems selbst. Mehr Entspannung, mehr Abwechslung, öfter mal ein Pärchenabend, weniger Termine, am besten aber ein wöchentliches Date für die gemeinsame Quality Time, in Gedanken dabei schon beim Hormonspiegel, den die Frauenärztin testen soll, ob nicht doch was Körperliches vorliegt – schon klar, oder?
Dein Geist ist regelrecht auf Ursachensuche und Problemlösung gepolt. Wenn dann noch ein*e Partner*in dazukommt, der*die chronisch mehr Sex will als du – wie soll da jemals von alleine Lust in dir erwachen?
Wenn das Nachlassen des Verlangens auf den eigenen Partner so viele Frauen betrifft, ist es vor allem eins: ganz normal!
Was wäre, wenn dein Körper einfach dem vorgesehenen Lauf der Natur folgt? Wenn es völlig normal wäre, dass Frauen nach ein paar Jahren die Lust auf ein und dieselbe Partnerperson verlieren?
- Dann wäre es normal, dass die Lust auch in deiner Beziehung weniger wird.
- Du könntest das Hamsterrad der Selbstoptimierung stoppen und deine Lust oder Unlust zum ersten Mal so annehmen, wie sie ist.
- Du wärst nicht mehr (alleine) zuständig dafür, ob in der Beziehung Sex stattfindet oder nicht.
- Kein schlechtes Gewissen mehr, wenn du Sex ablehnst.
- Nie mehr das schlechte Gefühl, nicht genug zu sein.
- Du müsstest dich vor deiner Partnerperson auch nicht rechtfertigen, warum du keine Lust hast.
Würde sich das nicht wunderbar entspannt anfühlen? Keine Sorgen, keine Schuldgefühle.
Was dann aus der Entspannung heraus entsteht – wer weiß?
Akzeptiere deine nachlassende Lust – und entspann dich endlich
Die meisten Menschen wünschen sich langfristige Beziehungen. Der Traum von ewiger Liebe ist die Norm. Und natürlich wünsche ich auch dir und mir alle Liebe der Welt! Aber vielleicht täte es dem scheuen Vögelchen Liebe gut, weniger bedrängt zu werden.
Indem wir Liebe und Sex ein kleines Stück entkoppeln.
Indem wir den Sex nicht mehr als etwas Selbstverständliches sehen, das die Partnerperson uns zu bieten hat.
Das nachlassende Verlangen auf den Partner bedeutet für beide Seiten Veränderung
- Der Wunsch nach Sex darf nicht automatisch auf den*die Partner*in projeziert werden. Die meisten Menschen haben zwei gesunde Hände oder andere Hilfsmittel zur Selbstbefriedigung. Akzeptiert, dass in jeder Beziehung einer mehr Lust auf Sex hat, einer weniger.
- So bekommt der Part mit weniger Lust wieder Luft zum Atmen. Und kann seinen Fokus weglenken von der Ablehnung (der sexuellen Handlung) hin zur Aufmerksamkeit für seine eigentlichen Bedürfnisse.
Was sind deine eigenen Bedürfnisse?
Moment mal, was sind denn überhaupt deine Bedürfnisse? Wer über lange Zeit immer nur mit der stärkeren Lust des*der Partners*in gerungen hat und seine Un-Lust als Makel empfand, kann den Sinn für die eigenen Bedürfnisse verloren haben. Aus der Abwehrhaltung heraus ist es schwer, Forderungen zu stellen – nach anderen Stellungen, anderen Erlebnissen, nach anderem Sex.
Diese 7 Fragen, die du dir stellen solltest, um dein langfristig Sexleben zu verbessern helfen dir, eine Antwort zu finden. Das Schöne daran: du musst erstmal gar nichts weiter tun, als sie zu lesen. Diese Fragen erfordern keine sofortigen Antworten. Wenn es Zeit ist für eine Veränderung, wird dein Unterbewusstsein wissen, was zu tun ist.
Gib dir Zeit. Wichtige Veränderungen passieren selten von heute auf morgen.
Heute weiß ich, dass auch meine lange unterkannte ADHS eine Rolle für mein Sexleben spielt. In diesem Blogartikel erfährst du mehr über die Herausforderungen bei ADHS und Sex und welche Strategien ich ausprobiere, um mein flatterhaftes Hirn bei der Stange zu halten.
Endlich wieder mehr Verlangen – auch auf den eigenen Partner
Bei meinen Gesprächen mit Swingern und Paaren in offeneren Beziehungsformen kommt immer wieder eins zur Sprache: Viele kommen zum Swingen, nachdem sie vorher eine Durststrecke in der Beziehung durchlebt haben.
Irgendwann stellen sie fest, dass die Frauen durchaus ein sexuelles Verlangen haben. Nur nicht (mehr) auf Sex mit dem eigenen Mann.
Kann es sein, dass auch du tief in dir durchaus Lust auf einen Mann hättest – aber eben nicht auf den eigenen? Du darfst mir die Antwort gerne schuldig bleiben. Aber versprich mir, mal drüber nachzudenken!
Aber nicht nur ein neuer Mensch kann der Lust frisches Leben einhauchen. Auch innerhalb der Beziehung könnt ihr euch wieder annähern. Dazu ist es nötig, die gewohnten Bahnen zu verlassen. Wenn der Kampf um Lust und Unlust schon zur Routine geworden ist, braucht es einen beherzten Schritt zur Seite, um klarer sehen zu können. Eine ganze Reihe Ideen dafür liefere ich dir nächste Woche im Blog – einen Frischekick für eure Beziehung!
In meinem Buch “Die Swinger-Bibel” gebe ich dir Einblicke in die anregende Welt der Swingerclubs und erotischen Parties. Swingen gehen als Paar kann eure Lust auf ganz neue Ebenen heben. Das Buch beantwortet alle Fragen und Sorgen, die die meisten Einsteiger und Neulinge teilen.
Bis dahin interessieren mich DEINE Erfahrungen. Ist die Lust in deiner Beziehung noch frisch wie am ersten Tag? Oder kennst du es auch, dass die Lust auf Sex in einer längeren Beziehung nachlässt? Wie bist du bisher damit umgegangen? Teile deine Erfahrung im Kommentar, auf Instagram oder in meiner Telegram-Gruppe für Abonnent*innen und erfahre, wie andere Betroffene damit umgehen!
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Fotos (in Reihenfolge) von Christian Newman, Daria Nephriakhina und Max van den Oetelaar via unsplash.com
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Liebe Lotta, ein gießen Kompliment für deinen Artikel. Und ganz ehrlich, eben diese Frage stellte sich uns heute auch schon im Privaten. Daher passt dein Artikel perfekt und wir freuen uns bereits auf die anderen, die noch folgen werden ❤
LG
Liebe Pam,
vielen Dank für Dein Lob, ich freu mich sehr, dass der Artikel für Euch genau zur richtigen Zeit kam. Witzigerweise haben mir das fast mit Deinen Worten auch schon drei andere bei Instagram geschrieben, es zeigt also, dass sehr viele Paare hinter der heilen Fassage vom Problem der eingeschlafenen Lust betroffen sind. Indem wir mehr darüber reden und schreiben, rückt es vielleicht aus der Tabuzone heraus. Warum nicht mal unter Freundinnen in die Runde fragen, sagt mal, wie ist das eigentlich bei Euch?
Vielen Dank für Euer Mit-Lesen!
Eure Lotta
Ich kann den Artikel so komplett nachvollziehen und bestätigen. Und übrigens ist es nicht nur so, dass Frauen nach ner Weile weniger Lust haben … ; )
Was mir und meiner Freundin noch gut geholfen hat, ist einfach mal zu einem guten Beziehungscoach zu gehen. Ruhig 6 bis 8 Mal. In dieser Zeit ist unser Sex sehr viel häufiger und sehr sehr viel tiefer geworden. Und das obwohl wir in dieser Zeit absolut monogam waren.
Lieber Sven,
da sprichst Du was Wichtiges an. Ich finde es sehr schade, dass ein Coaching oder eine Paartherapie immer als allerletztes Mittel angesehen wird. Warum so lange damit warten? Wenn andere Dinge nicht gut fluppen, fragt man ja auch einen Experten nach Rat. Deshalb danke für Deine Ergänzung und Deine eigene Erfahrung. Total schön zu hören, dass es Euch so gut geholfen hat!
Liebe Grüße
Deine Lotta
Von wegen “traditionellen, ursprünglich lebenden Gesellschaften”: Kennst Du das Buch “Sex, die wahre Geschichte”? Die AutorInnen sind der Ansicht, dass der Mensch ursprünglich Kinder nicht als Paar groß gezogen hat und entsprechend das Standardnarrativ von wegen Frau sucht sich starken Beschützer usw. keinen Sinn ergibt. Geborgenheit und freie Sexualität im Tribe. Ich find das ein ansprechendes Bild, das viele Probleme lösen würde (kommt mir vor), die wir so haben, egal ob mono, offene Beziehung, poly, RA, …
Hi Bastian,
ohja das ist ein tolles Buch. Was wir heute für den Standard halten, ist erst ein paar tausend Jahre alt… ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Ich glaube, dass noch viel archaisches in uns steckt, das wir versuchen zu leugnen – mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Danke für Deine Ergänzung!
Liebe Grüße,
Lotta
Ggf. eine etwas ungewöhnliche Erfahrung: Ich habe 10 Jahre polyamor und/oder mit offenen Beziehungen gelebt. Für den damaligen Zeitpunkt war es genau das Richtige. Dann habe ich eine Traumatherapie gemacht und seitdem war außerhäusige Action nicht mehr so wichtig. Mein Nervensystem hat sich so beruhigt, dass ich keine Kicks mehr gebraucht habe. Ich glaube immer noch nicht, dass ich monogam bin (bin auch viel zu neugierig dafür), aber ich habe festgestellt, dass der Sex sehr viel besser geworden ist, seit ich ihn von der Erregung abgekoppelt habe. Wir müssen nicht mehr auf Teufel komm raus erregt sein, rumrubbeln, mit Fantasien… Weiterlesen »
Hui, der Beitrag ist ja jetzt schon etwas älter, bin aber gerade erst darauf gestoßen. Hier ist mein Beitrag, für Andere, die auch durch Zufall darauf stoßen. Früher, ich meine ab 16 war es, habe ich meine Sexualität entdeckt. Mich schnell gelangweilt. Das soll jetzt der große Sex sein. Mit 18 lernte ich einen Mann kennen, der mich quasi befreite. Er war meine Affäre, 12 Jahre älter und swinger. Wir trafen usn bei ihm zuhause, mal zu 2,mal zu 3 und nach einem Jahr nahm er mich mit. Es ist meine Welt, absolut fantastisch und ich war ein ausgeglichener Mensch.… Weiterlesen »
Hallo Deany,
Schöner Beitrag. Aber wie man am besten anfängt dem anderen Partner zu sagen: ich habe einfach kein Verlangen nach DIR (sonst aber schon) ist schon schwierig.
Wie habt ihr das Gespräch gestartet und wie waren die anfänglichen Reaktionen darauf ?
Dein Beitrag klingt mehr nach „wir akzeptieren unsere Unlust, die wir für den jeweils anderen empfinden.“ und genau da sehe ich die Schwierigkeit. Wie lernt man, diese Tatsache zu akzeptieren? Und was ist das Argument „warum akzeptieren wenn man doch weiter probieren könnte?“
Und was meinst du, lässt sich dein beschriebenes Modell mit dem Kinderwunsch vereinbaren?
LG Mell
Was macht man mit der Erkenntnis, dass man mit jemand anderes Lust auf Sex hätte, aber eben mit dem Partner nicht mehr? Frau stelle sich vor, ihr Mann würde ihr das sagen – ein Affront! Entweder man findet einen Weg als Paar damit klarzukommen und macht was daraus, dass für beide Seite in Ordnung ist, oder man trennt sich. Wenn man nicht mehr mit einander schläft und das Gefühl weicht, ist man nicht mehr wie eine Wirtschaftseinheit die funktioniert – vielleicht auch wegen Kindern funktionieren muss. Das ist bestimmt nicht das Leben dass man sich ausmalt. Ansonsten gibt es auch… Weiterlesen »
Ich fühle mich sehr verstanden! Bin seit 30 Jahren mit meinem Mann zusammen und die gegenseitige Lust aufeinander wurde peu à peu immer weniger und ist mittlerweile komplett zum Erliegen gekommen. Eine Tatsache, die mich verzweifeln ließ. Fühlte mich unbegehrt, nicht beachtet. Es war nur noch eine Kumpel-Ehe, die “funktionierte”. Es gab diverse Ansprachen meinerseits, “rote Karten”, Verständnislosigkeit auf seiner Seite und den beleidigten Ausspruch “Ich wusste nicht, dass dir Sex so wichtig ist”. Äh what?! Ich bin noch keine 50 und habe seit Jahren keinen Sex mehr, gezwungenermaßen!? Seit ein paar Monaten habe ich eine Affäre. Es tut mir… Weiterlesen »
Um ehrlich zu sein habe ich als Mann kein Verständnis dafür, dass sich alles immer so leicht nach leichten Lösungen anhört. Sexualität verändert sich im Laufe einer Beziehung. Sex und Liebe, Partnerschaft voneinander zu entkoppeln um auf mehr Lustbefriedigung kommen zu können, ist ungefähr genauso wertvoll, wie zu sagen: Oh, mein Kind hat dich nicht so entwickelt, wie ich es mir gewünscht habe, also suche ich mir mal andere oder akzeptiere, dass ich mein Kknd nun weniger Liebe. Wir leben offenbar in einer Zeit, in der kaum einer noch ein Interesse daran hat, Tiefe zuzulassen, sich verletzlich zu machen und… Weiterlesen »
Danke Thorsten du sprichst mir aus der Seele!
Danke für deine Rückmeldung. Die Oberflächlichkeit unserer Zeit ist manchmal nur schwer zu ertragen. Zumindest für mich.